Eine Weihnachtsgeschichte von Ramona aus ihrem Buch.

Vorgelesen von ihr am 24. Dezember 2020 zum

Online - Weihnachtskonzert.

 

 

 

Im Rentierstall herrscht Chaos!

 

 

 

Es ist kurz vor Weihnachten. Die Bestandsaufnahme in

 

der Weihnachtsmannfabrik wird gerade durchgeführt.

 

 

„Wer von euch stellt sich dieses Jahr zur Verfügung, um

 

mich und den Schlitten mit den Geschenken zu ziehen?

 

Na? Freiwillige vor, sonst muss ich mir vier von euch

 

aussuchen“, sagt der Weihnachtsmann. „Was ist denn

 

los mit euch, keiner will? Ihr seid keine Rentiere, ihr

 

seid Faultiere!“

 

 

„Beleidige uns bitte nicht, gnädiger Herr, so faul sind wir

 

gar nicht wie die ollen Rentiere da“, sprach das halb

 

schlafende Faultier, das aus Afrika zu Gast war, um

 

einmal in seinem Leben den Winter kennenzulernen.

 

Da es hier aber so kalt war, zog es lieber vor, in einer

 

kuschligen Ecke zu schlafen und zu warten, bis es

 

wieder heim ins warme Afrika kann.

 

 

„Luise, was ist mit dir“, sprach der Weihnachtsmann.

 

 

„Aber wir hatten doch letztes Jahr schon abgemacht,

 

dass ich in Rente gehen kann und nicht mehr hinaus

 

muss. Schau dir meine alten Hufe an, du willst doch

 

wirklich nicht, dass ich aus Altersschwäche unterwegs

 

irgendwo stehen bleibe. Was wird denn dann?“

 

 

„Du hast recht, Luise, das hatten wir abgesprochen und

 

so soll es auch bleiben. Fritz, komm, du bist der

 

Stärkste von allen.“ „Ja, Chef, ich mache mit. Aber eins

 

musst du mir versprechen, Santa, heute Abend dürfen

 

wir einmal so richtig Weihnachten vorfeiern?“

 

 

„Heinrich, und du?“

 

 

„Nun gut, ich bin dabei. Eigentlich wollte ich dieses Jahr

 

gemütlich mit meinem kleinen Sohn feiern, aber gut,

 

das kann ich auch danach tun, wenn wir ausgeliefert

 

haben. Die Kinder sollen alle pünktlich ihre Geschenke

 

bekommen. Du kannst auf mich zählen.“

 

 

„Nun fehlen mir noch zwei. Kommt schon, lasst euch

 

nicht so lange bitten“, flehte der heilige Mann. „Rudi,

 

und?“

 

 

„Ich hab Nasenentzündung. Schau mal!“

 

 

 

Wie leuchtete sein Näschen und war ganz dick.

 

 

„Gut, dann bleib da. Du würdest eh nur abgelenkt von

 

dem Leuchten in deinem Gesicht.“

 

 

„Willibald? Gib deinem Herzen einen Stoß.“

 

 

„Klar Chef, ich komm mit, Ehrensache!“

 

 

„Einer noch, wer will es sein?“

 

 

Ganz vorsichtig hob Clara, die Jüngste im Bunde der

 

Teenies, den Huf.

 

 

„Traust du dir das wirklich schon zu?“, fragte Santa und

 

schaute über seinen Brillenrand direkt in Claras Augen.

 

 

„Aber Santa, sonst hätte ich mich doch nicht gemeldet!

 

Ich will endlich einmal raus aus dem Stall und rein in die

 

Welt!“ Voller Tatendrang wollte sie schon vorwärts

 

preschen, die alte Luise konnte sie gerade noch

 

zurückhalten.

 

 

„Ruhig Clara, morgen geht es erst los! Gut, dann haben

 

wir alle zusammen. Ich werde jetzt in die Fabrik

 

hinübergehen, um die letzten Sachen zu überprüfen

 

und für morgen bereitzustellen.“

 

 

In der Zeit stieg schon die Fete im Rentierstall. Ein

 

Holdrio bis in die Nacht. Keiner fand ein Ende. Die Feier

 

zog sich in die Länge, der Mond ging bereits unter.

 

 

Flitzi, die kleine Weihnachtsmaus, wollte nun endlich

 

schlafen, aber die Rentiere grölten so laut. Da

 

beschloss sie, zu dem Weihnachtsmann petzen zu

 

gehen.

 

 

Habe ich mich verhört? Die Lausejungs schlafen noch

 

nicht? Die alten Saufjacken müssen doch ruhen,

 

schließlich ist ihr Pensum morgen sehr groß! Ich werde

 

die Feier sofort beenden.

 

 

„Ruhe, zum Himmeldonnerwetter“, polterte

 

Weihnachtsmann in den Stall.

 

 

Heinrich kippte vor Schreck rückwärts vom Hocker.

 

 

„Abmarsch, alle ins Stroh, morgen wird ein harter Tag!“

 

 

Langsam wanken alle in ihr Bett, legten sich zur Ruhe

 

und begannen sofort zu schnarchen.

 

 

Der Morgen nahte, aber es rührte sich nichts im Stall.

 

Dem Weihnachtsmann wurde schon mulmig im Magen.

 

Schimpfend versuchte er, die Bande zu wecken. Nichts

 

half. Da zog er die Rentierdusche mit dem langen

 

Schlauch hervor und bespritzte sie. Triefend nass

 

standen sie auf und schüttelten sich. Fritz lag immer

 

noch mit verbogenem Geweih in seiner Box und

 

verdrehte die Augen. Er musste wieder einmal zeigen,

 

dass er der Stärkste war, und hatte mit Hans gekämpft.

 

An Willibalds Kopf blühte eine riesige Beule. Er hatte

 

gestern Abend zu tief ins Glas schaut und die Tür zum

 

Klo verfehlt. Mit Schwung war er gegen den Pfosten

 

gerast.

 

 

„Jungs, was ist denn hier los? So seid ihr überhaupt

 

nicht einsatzbereit! Heinrich ist kotzübel. Er hängt

 

schon wieder über der Kloschüssel. So geht das nicht.

 

Weihnachten fällt dieses Jahr aus. Ihr seid nicht

 

straßentauglich. Schluss, aus, vorbei! Carla allein kann

 

nicht den riesigen Schlitten ziehen. Ihr enttäuscht mich,

 

Männer.“

 

 

Aus den hinteren Reihen traten Christa, Luise und Gabi

 

hervor. Sie hatten bei dem Saufgelage gestern Abend

 

nicht mitgemacht. Schließlich waren sie ja Mädchen.

 

 

„Lieber Weihnachtsmann, die Kinder können doch

 

nichts dafür. Wir helfen dir aus der Patsche. Spanne

 

uns vor den Wagen. Wir schaffen das schon“, sprach

 

die alte Luise.

 

 

Der Weihnachtsmann zog vor ihr die Mütze.

 

 

„Alle Achtung, alte Dame!“

 

 

Die lahmen männlichen Rentiere schliefen sich den

 

Rausch aus und die Damen verteilten die Geschenke

 

mit Santa.

 

 

Um den Mädchen, die den ganzen Abend in der Kälte

 

unterwegs waren und die Arbeit der Männer erledigten,

 

eine Freude zu bereiten, dachten sich die

 

Rentiermänner: Wir kochen den Damen was Leckeres,

 

decken den Tisch und räumen auf, vielleicht können sie

 

uns noch einmal verzeihen. Das darf nächstes Jahr

 

nicht wieder vorkommen, schworen sie sich. Außerdem

 

war das Entgleisen mit Schmerzen verbunden, mit

 

Beulen, verbogenen Geweihen und, glaubt mir,

 

Brechreiz ist auch nicht wünschenswert!

 

 

„Nie wieder schauen wir zu tief ins Glas“, schworen die

 

Rentiere.

 

 

„Na dann bis zum nächsten Jahr, wir werden sehen“,

 

sagte der Weihnachtsmann, der gerade eintrat und sich

 

den Schnee vom Mantel klopfte.

 

Die Damen waren müde und freuten sich über einen

 

wärmenden Glühwein, den sie von den männlichen

 

Kollegen serviert bekamen.

 

 

Somit haben die Mädels das Weihnachtsfest gerettet.